Orthopädische Peeptoes

Ein Wintermärchen im Schnee… für mich eine eher nie enden wollende Wetterkatastrophe. Seit Tagen schneit es die Strassen voll und ich weiss nie, wann und ob ich aus dem Haus kann. Es ist ja nicht so, dass ich Schnee nicht etwas Fantastisches finde, aber nicht auf den Strassen! Der soll in den Bergen bleiben und auf den Skipisten, da wo er hingehört.

So auch diesen Morgen… Schneefall ohne absehbares Ende. Ich ziehe mich vorsorglich mal an, als ob es draussen kalt wäre. Stiefel, Socken, Unterhemd, Kappe, Handschuhe und meine wärmste Designer- Daunen-Jacke, die mich obendrein wie ein Michelin Männchen aussehen lässt. Missmutig stapfe ich vollbepackt mit Aktentasche und einer Tagesration Taschentücher zum Bahnhof. Zug Fahren ist nach dem Schneefall so das zweitgrösste Übel in meinem Alltag. Glück gehabt, ich erwische zwar kein sauberes aber dafür ein leeres Abteil. Nebenan setzt sich eine Frau, komplett in ein Faschingskostümeingehüllt… das drittgrösste Übel neben Schnee und Zug fahren. Nichts desto trotz hole ich mein Smartphone hervor und spiele eines dieser stupiden Ballspiele, bis ich fast vergesse in Zürich auszusteigen. Hauptsache, ich habe den Rekord meiner Freunde geschlagen.

In Zürich angekommen, erledige ich all meine Geschäfte. Mitarbeitergespräche, Filialbesuche, besorgen eines Waffeleisens und das Abholen meiner ersten Brille seit über 10 Jahren. Es versteht sich wohl von selbst, dass ich meine neue Brille erst mal in der Aktentasche und nicht auf meinem Kopf trage.

Nun steht mir die Heimreise mit meinem geliebten Zug bevor. Da ich aber laut Fahrplan noch 20 Minuten Zeit habe, schlendere ich nichts Böses ahnend, verkleidet als Michelin-Männchen durch die Modeabteilungen in einem feinen Marken-Kaufhaus. Mein nichtbebrillter Blick bleibt hängen an einem Paar wunderschönen sommerlicher Peeptoes. Die frische blaue Farbe und die schöne Zierblume auf dem Schuh, zwingen mich dazu, mich auf der einladenden Bank nieder zu lassen und den Schuh anzuprobieren. Ich breite mich aus, lege meine Aktentasche, mein neu erworbenes Waffeleisen und meine Michelin-Jacke neben mir auf die Bank. Ich gebe es zu, ich habe an diesem Wintertag nicht die schönsten Socken an, aber sie sind sauber und frei von Käseduft. Etwas ungalant streife ich den Peeptoe über meine zu dicken Socken und erfreue mich grad an meinem sommerlichen Anblick, als unerwartetvon hinten Gefahr lauert: „Kann ich Ihnen etwas zeigen? Dieser Schuh ist viel zu eng für Sie!“ nimmt mirdie Verkäuferin den Schuh ab meinem Fuss und stellt ihn zurück ins Regal. Ohne Pause redet sie weiter:„Ich habe da hinten ein orthopädisches Modell für Sie, welches besser zu Ihrem Fuss passt.“ORTHOWAS? Gesagt, geholt, probiert. Grösse 38… an meinem Fuss ca. 2 Nummern zu gross. Habe ich vergessen zu erwähnen, dass sich unter dem käsefreien Socken ein wunderbar zartes und wohlgeformtes Füsschen von Grösse 36 verbirgt? Und sollte ich dazu noch sagen, dass ich vor einem Jahr meinen (erst) vierzigsten (!), nicht siebzigsten Geburtstag feierte? Ist jetzt auch nicht mehr nötig. Bei so viel Unverschämtheit dieser Verkäuferin bleibt mir nur noch die Flucht nach vorn, respektive die Flucht aus dem Kaufhaus. Mit einem sehnsüchtigen Blick auf die zurückgelassenen Peeptoes stapfe ich in meinen Winterstiefel zum Bahnhof auf Gleis 44.

Zum Glück habe ich ja jetzt genug Zeit und ein Smartphone… Vielleicht gibt es meine nicht orthopädischen himmelblauen Peeptoes in Grösse 36 ja bei Zalando zum Bestellen?!

Schrei vor Glück!