Voll Schräg
Ich wollte nur eine Jeans kaufen… daraus ist mittlerweile eine Jeansphobie geworden. Das sich ein Jeanskauf schwieriger gestaltet als den Traum-Mann fürs Leben zu finden war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Eine ganz schlichte sollte es sein, skinny, edle dunkle Waschung, passend in der Taille und am Po, Preis egal, fertig. So machte ich mich also auf den Weg in die Jeansabteilung und liess mir von der Verkäuferin mehrere Paar Jeans zeigen. 3 davon fanden vor meinen Augen Gnade und die probierte ich dann auch an. Die erste Jeans zu lang, zu eng an den Beinen und zu weit im Bund. Die Zweite so eng, dass ich bereits beim Hochziehen auf Kniehöhe kapitulierte und zur Dritten griff, die wie ein Wunder passte, wenn man davon absieht, dass sie ca. 10 cm zu lang war. Kann man ja kürzen, dachte ich mir. Voll Freude habe ich das Stück mit nach Hause genommen und gewaschen. Doch als ich meine Jeans aus der Waschmaschine nahm, die böse Überraschung!
Die Seitennähte haben sich während ihres Waschaufenthaltes selbständig gemacht. Fazit: Schräg! Wie jetzt? Wieso läuft jetzt die Seitennaht wie eine ungeliebte Krampfader von den Schenkeln quer über das Knie vorne über das Schienbein entlang und endet 3 cm weiter links als sie eigentlich hingehört? Ein Fall für den Profi dachte ich mir, zurück in den Laden. Da lasse ich mir dann von der weiblichen Fachkompetenz erklären, dass ich absolut die erste Kundin bin, der das passiert und schaut mich misstrauisch an mit der Frage, ob ich denn auch gesehen hätte, dass die Jeans nur bei 30 Grad waschbar sei. Ich verdrehe innerlich genervt die Augen… Ja, ich kann lesen, ich kann auch waschen, auch wenn meine Haarfarbe blond ist… aber das denke ich mir nur und erkläre der Verkäuferin geduldig, dass ich zu Hause die allerneueste Waschmaschine habe mit Schonprogramm, Schleuderreduzierung und allem Schnick Schnack. Ergeben erklärt mir die Fachfrau, dass in einzelnen Fällen, die Schneiderin in Bangladesch den Stoff manchmal quer aus dem Stoffballen schneiden muss und dann die Faserrichtung nicht mehr gerade läuft… also doch „schräg“ denke ich mir. Ich bekomme eine neue Jeans und man wünscht mir viel Freude damit. Dieses Mal wasche ich sie wieder auf der linken Seite, 30 Grad, Schonprogramm, Schleuderreduzierung, spezielles Jeanswaschmittel… Sie wollen jetzt die Geschichte nicht noch mal in Details von vorne hören. 2. Fazit: Schräg. Den Gutschein dafür liegt heute noch unangetastet in meiner Schublade. Doch was erwarte ich von einer Jeans, welche in New York designed, in Bangladesch produziert und nach Deutschland verschifft wird, dann über die Schweizer Grenze transportiert und dort zu einem überhöhten Umrechnungskurs verkauft wird? Das ist ja an und für sich schon schräg.
Nichts desto trotz habe ich dann auf mein Glücksmittel zurück gegriffen und mehrere Jeans bei meinem Lieblingsonlineshop Zalando bestellt. Die sind auch alle gekommen. Zwischendurch hat mal eine gepasst, die war schon schräg vor dem Waschen. Dann habe ich sie erneut bestellt, wieder schräg… unterdessen spricht man meinen Liebsten auf unserer Dorfpost mit „Guten Morgen Herr Zalando“ an. Glauben Sie mir, der schreit nicht vor Glück…
Doch diese Tage kam die erlösende Erkenntnis! Auf einer Zeitschrift sehe ich sie… das It-Girl Olivia Palermo, cool und lässig in Skinny-Jeans! Die Naht der Jeans läuft leicht schräg vom Knie über ihre schlanke Wade… und jetzt erst geht mir ein Licht auf: Schräg ist Trend!
Unterdessen habe ich eine dunkelblaue Skinny-Jeans gefunden, nicht schräg, gerade! Auch nach dem Waschen! Doch was nutzt mir eine gerade Skinny- Jeans, wenn ich damit nicht trendy bin? Einen schrägen Tag wünsche ich hiermit allen, die das nächste Mal verzweifelt in einer Umkleidekabine stehen und sich fragen: Schräg oder Trend?
Claudia Fellmann
Schräg oder Trend?